Von
der bäuerlichen Selbsthilfe zur friedensfördernden Energiegemeinschaft –
Facetten eines Erfolgsmodells
VON HARTMUT BRAUN
Kreis Herford. Gemeinsam geht’s besser als allein; nehmen wir die Sache
selbst in die Hand; helfen wir uns gegenseitig: Wenn Bürger solche Ziele
formulieren, kommt oft eine Genossenschaft dabei heraus. Der Begriff wirkt
in postmodernen Ohren bisweilen veraltet: Doch der Geist dieser
Organisationsform lebt – auch im Kreis Herford.
Jeder fünfte Bürger im Kreis Herford ist Mitinhaber der
genossenschaftlichen Volksbank, also „Genosse“. Mehr als 4.000 sind
Mitinhaber einer Wohnungsgenossenschaft. Jeweils mehrere hundert Landwirte
und Handwerker gehören genossenschaftlichen Zusammenschlüssen an.
Hinter wohlklingenden Namen wie Edeka und Humana verbergen sich
Selbsthilfe-Organisationen in Form der Genossenschaft. Und immer wieder
wird die Genossenschafts-Familie durch Neugründungen bereichert, wie der
rheinisch-westfälische Genossenschaftsverband (RWGV) betont.
Dessen Pressesprecher Rainer Stephan bat jetzt zur Halbzeit des von der
UNO ausgerufenen „Jahres der Genossenschaften“ zum Mediengespräch. Just am
gleichen Tag hatte die jüngste Mitstreiterin der hiesigen
Genossenschafts-Szene, die friedensfördernde Energiegenossenschaft, ihre
erste Generalversammlung: Knapp hundert Genossen sind hier angetreten,
Energieerzeugung aus regenerativen Quellen in der Region zu befördern. „Es
ist die für uns beste Unternehmensform“, sagt Barbara Rodi, die um weitere
Mitstreitende für positive Alternativen zum Atomstaat wirbt.
Die älteste Genossenschaft im Kreis Herford vertritt Andreas Kämmerling:
Seine Volksbank hat ihre Wurzeln in drei Spar- und Darlehenskassen, die
1884 in Bünde, Eilshausen und Enger als Selbsthilfe-Organisationen zur
Beschaffung von Kapital für Handwerk und Landwirtschaft gegründet wurden.
Aus 20 einstmals selbstständigen Instituten wurde die Volksbank Bad
Oeynhausen Herford – eine der 50 größten und 25 kapitalstärksten der
Republik.
In Hiddenhausen gründete sich 1925 die „landwirtschaftliche Ein- und
Verkaufsgenossenschaft eG.“ im Kreis Herford. Der Name war Programm: Die
Bauern bündelten ihre Nachfrage im Einkauf – und ihre Vermarktung. Aus
diesem Geist entstand neun Jahre später die Milchverwertungsgenossenschaft
Herford-Bad Oeynhausen – die Keimzelle der Humana Milchunion: „Bis heute
gelten die damaligen Prinzipien“, sagt Wilhelm Brüggemeier,
Vorstandsmitglied der heute milliardenschweren Milchunion.
Das Jahr 1893 ist das Geburtsjahr für Selbsthilfe im Wohn- und
Siedlungsbau in der Region. Da gründete sich die Wohnungsgenossenschaft
Herford. Andere Siedlerbünde folgten, 1937 in Bünde etwa die Bau- und
Siedlungsgenossenschaft, heute die größte im Kreisgebiet. „Wer Mitglied
einer Wohn-Genossenschaft ist, lebt flexibel wie ein Mieter und wohnt
sicher wie ein Eigentümer“, sagt Geschäftsführerin Petra Eggert-Höfel.
Sie alle empfehlen ihre Rechtsform: Sie loben Mitsprachemöglichkeiten, das
demokratische Prinzip, Transparenz und regionale Fixierung, die laut
Brüggemeier selbst in globalen Projekten wie der Humana Milchunion nicht
aufgegeben wird. Nachahmer sind willkommen: So hilft die Volksbank ganz
aktuell bei der Gründung von Schüler-Genossenschaften.